Die
Herkunft unseres Liedgutes
von Heinrich Wannisch
ehemals "Fuchtler" und musikalischer Leiter im "Chor der Reisigen"
Eine Frage,
die mir als musikalischem Leiter des "Chores der Reisgen" immer wieder
gestellt wird, lautet: woher haben sie das Liedgut? Wo und wie kann man
solche Lieder finden? Wer hat sie geschrieben bzw. komponiert?
Manchmal lässt sich diese Frage ganz einfach beantworten: Dieses Lied
steht in dem oder dem Liederbuch, es stammt von diesem oder jenem Komponisten.
Leider ist diese einfache Konstellation viel zu selten zutreffend. Die
Suche nach Liedgut, das
- den historischen
Ansprüchen der Landshuter Hochzeit genügt
- zu der Gruppe
der Vortragenden (immerhin Söldner und Kriegsvagabunden) passt
- vom Chor auch
in geforderter Qualität vorgetragen werden kann
- von den Sängern
akzeptiert und dann auch gerne gesungen wird
- und vom Zuhörer
als gut und schön anzuhören eingestuft wird,
das ist in vielen
Fällen oft schwieriger als man sich vorstellt.
Ich will es an einem Beispiel einmal kurz aufzeigen:
Auf einem Tonträger mit mittelalterlicher Musik höre ich ein Lied, von
dem ich mir vorstellen kann, dass es der "Chor der Reisigen" in sein Repertoire
aufnehmen könnte, weil die oben genannten Kriterien erfüllt sind. Nun
beginnt die Suche nach den Quellen. Wenn ich Glück habe, dann liefert
mir der Begleittext der CD ziemlich genaue Angaben, aus welchem Buch oder
aus welcher Sammlung das gesuchte Lied stammt. Wenn ich Pech habe, beginnt
meine Arbeit schon bei der Suche danach, wo ich z.B. den Notensatz finden
kann. Nachfragen bei anderen Musikgruppen der "Landshuter Fürstenhochzeit"
oder beim musikalischen Leiter August Huth sind die ersten Schritte. Nun
geht es darum, an die Bücher bzw. Sammlungen zu kommen, d.h., es folgen
verschiedene Gänge in Musikalienhandlungen oder Bibliotheken. Dank der
gut funktionierenden Fernleihe trudeln dann Bücher aus Hannover, aus Stuttgart
und aus vielen anderen Orten in der Landshuter Stadtbibliothek ein, die
ich dann entweder nach Hause mitnehmen oder bei bestimmten Exemplaren
nur innerhalb der Bücherei einsehen und benutzen darf. Sind es ältere
Bücher, so besteht vielfach ein Kopierverbot, d.h. für mich, dass ich
Texte und Chorsätze per Hand vor Ort abschreiben muss.
Eine andere mögliche Anlaufstelle ist die bayerische Staatsbibliothek
in München mit der angegliederten Musikaliensammlung. Nachdem diese in
vielen Teilen allerdings nach Garmisch-Partenkirchen ausgelagert ist,
müssen Bestellungen aufgegeben, Lieferungen abgewartet und dann in München
in der Staatsbibliothek eingesehen werden.
Was sich in der letzten Zeit zunehmend als große Hilfe erweist, das sind
die Möglichkeiten, die das Internet bietet. Die hier anzutreffende Vernetzung
eröffnet auf einmal wieder neue Möglichkeiten.
Ist dann das gesuchte Lied endlich irgendwo gefunden, so muss ich in der
Regel eine entsprechende Bearbeitung vornehmen, damit es der "Chor der
Reisigen" singen kann. Die polyphone (mehr-stimmige) Chormusik war zur
Zeit der "Landshuter Fürstenhochzeit", also 1475, noch in den Anfängen.
Die Lieder, die so richtig zu den Reisigen passen, sind normalerweise
einstimmige Lieder, die entweder von aktiven Reisigen der damaligen Zeit,
meist aber von den die Soldaten begleitenden Musikern stammen. Darin werden
Schlachten, Siege und Niederlagen, die Liebe und das alltägliche Leben
der Landsknechte besungen.
Ein Problem ist manchmal, dass mehr Texte als Noten und Melodien überliefert
sind. Wenn ich Glück habe, dann ist beim Text oft ein Zusatz dabei "zu
singen nach der Melodie.......". Ist diese Melodie bis heute bekannt,
kann ich mich daran machen, daraus ein Lied für den "Chor der Reisigen"
zu machen.
Eine andere Variante ist die, dass ich versuche, textlose Melodien bzw.
Chorsätze und Texte, die ohne Notation überliefert sind, zusammenzubringen,
also aus zwei verschiedenen Teilen ein neues Ganzes zu produzieren. Das
war übrigens in der damaligen Zeit eine durchaus des öfteren praktizierte
Art.
Sie sehen also,
liebe Freunde der Reisigen, als "Fuchtler" der Reisigen habe ich auch
zwischen den Proben und Auftritten des "Chores der Reisigen" eine ganze
Menge an Arbeit. Aber all die Mühe des Suchens, Recherchierens und Bearbeitens
ist spätestens dann vergessen, wenn der "Chor der Reisigen" das neue Lied
in hoher Qualität den Zuhörern und Gästen der "Landshuter Fürstenhochzeit"
darbietet und der Applaus und die Begeisterung bestätigt, dass die richtige
Wahl getroffen worden ist und Sänger, Publikum und auch ich zufrieden
sind.
Nicht versäumen möchte ich darauf hinzuweisen, dass auch insbesondere
mein Vorgänger im Amt des Chorleiters, Herbert Sedlmayr, viel in ähnlicher
Weise gearbeitet hat und wir "Reisige" deshalb schon auf ein ansehnliches
Repertoire zurückgreifen können.
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Oswald
von Wolkenstein
(1377 - 1445)
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